Honigbienen

1. Interaktion mit Varroa-Milben und Viren

Von 2008 bis 2011 habe ich am Länderinstitut für Bienenkunde in Hohen Neuendorf gearbeitet und mich mit diesem Thema beschäftigt. Die aus Ostasien stammende Milbe Varroa destructor ist der schädlichste Parasit der westlichen Honigbiene (Apis mellifera). Während Bienenvölker der ursprünglichen Wirtsart Apis cerana durch die Milben offenbar nicht stark geschädigt werden, sterben Apis mellifera-Völker in Europa innerhalb von 1-2 Jahren, wenn die Milben nicht durch imkerliche Massnahmen bekämpft werden. Aus diesem Grund gibt es in Deutschland auch keine wild vorkommenden Bienenvölker mehr.

Die Milben saugen Hämolymphe ("Blut") sowohl von den erwachsenen Bienen, als auch von den Larven bzw. Puppen. Das alleine verursacht keine so grossen Schaden, jedoch können die Milben auch als Vektor für verschiedene Viren wie z.B. das Flügeldeformationsvirus wirken. Bestimmte Formen des Flügel-deformationsvirus vermehren sich auch in Milben. Wenn Milben mit solchen Viren Hämolymphe von Larven oder Puppen saugen, kann es zu schweren Infektionen kommen. Die Bienen sterben dann entweder bereits während ihrer Entwicklung in der verdeckelten Zelle, oder sie schlüpfen mit verformten Flügeln und sterben innerhalb von 1-2 Tagen nach dem Schlupf (ein exzellentes Bild einer virus-geschädigten Biene findet sich auf Seite 8 dieses sehr guten Übersichtsartikels).

Die Reproduktion der Milben findet in den verdeckelten Brutzellen statt. Bei dem sogenannten Hygieneverhalten erkennen die Brutpflege-betreibenden Bienen kranke oder aus anderen Gründen geschädigte Brut und räumen diese aus. Wenn dies geschieht, wird die Reproduktion der Milben verhindert. Daher besteht die Hoffnung, dass Bienen mit besserem Hygieneverhalten die Population der Milben vielleicht unter der Schadschwelle halten können. Dementsprechend wird in verschiedenen Initiativen auf verstärktes Hygieneverhalten gezüchtet.

In unseren Untersuchungen fanden wir heraus, dass die Schädigung durch Milben ohne Virus-Vermehrung offenbar sehr subtil ist und nur selten von den Brutpflege-betreibenden Bienen erkannt wird. Wenn durch die Milbe aber eine schwere Flügeldeformationsvirus-Infektion verursacht wird, haben diese Puppen einen deutlich anderen Duft und werden erkannt und ausgeräumt. 

Was ist nun der Effekt von gutem Hygieneverhalten auf Kolonieebene? Wir haben noch keine Daten, um diese Frage zu beantworten, vermuten aber, dass Völker mit stark ausgeprägtem Hygieneverhalten die durch die Kombination Varroa + Flügeldeformationsvirus verursachten Schäden wahrscheinlich geringer halten können. Denn obgleich auch in solchen Völkern die Reproduktion der Milben nicht generell unterbunden wird, können sich die schädlichsten Milben (nämlich solche mit Virusvermehrung) nur selten fortpflanzen. 

 

2. Berghonigbienen in Ostafrika

Ursprünglich war die westliche Honigbiene Apis mellifera von Südafrika bis Skandinavien und von Portugal bis Innerasien verbreitet. Menschen haben sie inzwischen auch auf fast allen anderen Kontinenten eingeführt. Innerhalb der Art sind viele Unterarten beschrieben worden. Sehr interessant ist die Situation in Ostafrika. Dort kommen in den Bergwäldern oberhalb von 2000 m ü.N.N. (Mount Kilimanjaro, Mount Meru, Mount Kenya, Aberdares, Mau, Mount Elgon) Bienenvölker vor, deren Arbeiterinnen dunkler und grösser sind als diejenigen aus Völkern in den tiefergelegenen Savannengebieten. Diese Beoachtung führte zu der Beschreibung einer eigenen Unterart Apis mellifera monticola ("monticola"= bergbewohnend). 

Allerdings können die Flugdistanzen der Drohnen und Königinnen zu den Verpaarungsplätzen leicht 5 km und grösser sein. Und wenn Völker sich vermehren, fliegen die Schwärme auch oft 5 km und mehr. Afrikanische Honigbienen sind ausserdem dafür bekannt, dass Völker in Abhängigkeit vom Nektarangebot über längere Distanzen wandern. Alle diese Umstände werfen die Frage auf, ob es nicht doch starken Genfluss zwischen Populationen in den Bergwäldern und den Populationen in den Savannengebieten gibt. 

Zusammen mit Martin Hasselmann (jetzt Professor an der Universität Hohenheim) und Wanja Kinuthia vom National Museum in Nairobi / Kenia habe ich Bergbienenpopulationen in Kenia untersucht. Die genetischen Analysen zeigten, dass die Bergbienen mit anderen Bergbienenpopulationen nicht näher verwandt sind als mit den Bienen in den umliegenden Savannengebieten. Insgesamt unterstützen unsere bisherigen Ergebnisse die Interpretation, dass es sich nicht um zwei Unterarten handelt, sondern dass die Unterschiede in Grösse und Pigmentierung auf phänotypische Plastizität zurückzuführen sind. Unter phänotypischer Plastizität versteht man das Phänomen, dass ein Genotyp je nach Umweltbedingungen unterschiedliche Phänotypen hervorbringen kann. Ein Beispiel ist die unterschiedliche Wuchsform von Pflanzen in Abhängigkeit von den Lichtbedingungen. Ob diese Interpretation korrekt ist, sollte nun am besten auch experimentell  getestet werden: wenn man Bienenvölker aus Bergwäldern sowie andere Völker aus Savannengebieten an einen gemeinsamen Standort mittlerer Höhe verbringt, so sollten sie Arbeiterinnen gleicher Grösse und Pigmentierung produzieren.

Aktualisierung Mai 2017:

Sehr viel umfangreichere genetische Untersuchungen (SNP-Analysen) in Zusammenarbeit mit Andreas Wallberg und Matthew Webster von der Universität Uppsala in Schweden haben jetzt neue Ergebnisse gebracht: Tatsächlich gibt es - wie wir bereits in der früheren Studie geschlussfolgert hatten - starken Genfluß zwischen den Bergbienen und den Populationen in den umliegenden Savannengebieten und damit auch so gut wie keine genetische Differenzierung über das gesamte Genom betrachtet. Aber es wurden zwei Blöcke von jeweils vielen zusammenhängenden Genen gefunden, die bei den Bergbienen eine andere Ausprägung aufweisen. Wir vermuten, dass diese Allele die Anpassung an das Leben in den Bergwäldern vermitteln. Die frühere Interpretation, dass die unterschiedliche Morphologie der Bergbienen durch phänotypische Plastizität zu erklären ist, kann daher verworfen werden. Wir haben es mit einem Beispiel lokaler Anpassung zu tun. Weitere Studien müssen klären, welche genauen Eigenschaften die gefundenen Gen-Blöcke beeinflussen.